VfGH: Bundespräsidentenwahl muss wiederholt werden

Die Bundespräsidentenwahl 2016 muss nach einer Entscheidung vom VfGH wiederholt werden. Dies wurde um 12 Uhr bekannt gegeben. Angefechtet wurde die Wahl, bei der Alexander Van der Bellen gewonnen hatte, von der FPÖ. Damit muss die Stichwahl in ganz Österreich wiederholt werden. Bundeskanzler Christian Kern wird um 12 Uhr 30 eine Stellungnahme zum Entscheid des Verfassungsgerichtshofs zur Bundespräsidentenwahl abgeben. Die schriftliche Ausfertigung wird lauf VfGH so rasch wie möglich ausgefertigt.

Die Aussendung vom VfGH im genauen Wortlaut

Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die Stichwahl der Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai in ganz Österreich und komplett wiederholt werden muss. Der Termin dafür ist von der Bundesregierung mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzulegen. Die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter haben in den vergangenen Wochen nahezu permanent, sei es intern oder öffentlich, an diesem Verfahren gearbeitet. Ein Bestandteil war die Einvernahme von Zeugen in öffentlicher Verhandlung. Dies diente alleine dem Zweck, festzustellen, ob die in der Anfechtung behaupteten Sachverhalte tatsächlich zutreffen, denn die Wahlakten zeigten ein anderes Bild.

Die grundsätzlichen Aussagen des Verfassungsgerichtshofes lauten wie folgt:

  • Die Möglichkeit der Briefwahl ist nicht verfassungswidrig und kann weiter bestehen.
  • In vielen Bezirken ist es aber bei der Durchführung der Briefwahl zu Rechtswidrigkeiten gekommen.

Tätigkeiten, die mit der Auszählung der Stimmen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, müssen von der Wahlbehörde als Kollegium (also von Wahlleiter und Beisitzer gemeinsam) durchgeführt werden. Dies deshalb, um die Transparenz bei der Ermittlung des Wahlergebnisses sicherzustellen.

Der bloße Hinweis auf die Möglichkeit, dass Beisitzer dabei sein können, ist nicht ausreichend. Es ist auch nicht gestattet, diese Aufgaben im Vorhinein an den Wahlleiter zu delegieren. Hilfsorgane, die nicht der Wahlbehörde angehören, können sie bei ihren Aufgaben unterstützen, dürfen aber nur unter den Augen des Kollegiums tätig werden. Sie dürfen keinesfalls mit der unkontrollierten Überprüfung der Stimmen befasst werden.

Die Öffnung der Wahlkarten muss jedenfalls der Bezirkswahlbehörde als Kollegium vorbehalten sein. Dazu gehört auch das „Schlitzen“ von Wahlkarten. Eine verbindliche Überprüfung der Wahlkarte ist nämlich nicht mehr möglich ist, wenn sie zuvor von unbefugten Personen geöffnet wurde. Ohne Beisitzer und mit Hilfsorganen dürfen vorgelagerte Tätigkeiten erledigt werden. Dazu zählt das Vorsortieren der Wahlkarten in miteinzubeziehende und nichtige Wahlkarten anhand evidenter Nichtigkeitsgründe (zum Beispiel: das Fehlen der Unterschrift).

  • Es ist für den Verfassungsgerichtshof völlig eindeutig, dass Gesetze, die eine Wahl regeln, rigoros angewendet werden müssen. Dies soll Missbrauch und Manipulationen ausschließen.
  • Wenn Verfehlungen ein Ausmaß erreichen, dass sie auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnten, ist dabei unerheblich, ob Manipulationen tatsächlich stattgefunden haben.

In den Bezirken Innsbruck-Land, Südoststeiermark, Stadt Villach, Villach-Land, Schwaz, Wien-Umgebung, Hermagor, Wolfsberg, Freistadt, Bregenz, Kufstein, GrazUmgebung, Leibnitz, Reutte wurden Regeln für die Durchführung der Briefwahl nicht eingehalten. Die Rechtswidrigkeiten betreffen insgesamt 77.926 BriefwahlStimmen.

 

Der Stimmenunterschied zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer beträgt 30.863 Stimmen. Da die von der Rechtswidrigkeit betroffenen Stimmen die Hälfte des Vorsprunges (15.432 Stimmen) bei weitem übersteigen, konnte das von Einfluss auf das Wahlergebnis sein.

In den Bezirken Kitzbühel, Landeck, Hollabrunn, Liezen, Gänserndorf und Völkermarkt verlief die Durchführung der Briefwahl regelkonform.

 

Die Rechtswidrigkeiten bei der Durchführung der Briefwahl machen eine gesamte Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl notwendig.

 

Dies aus folgenden Gründen:
Wer mit seiner beantragten Wahlkarte wählt, kann dies auf verschiedene Weise tun. Per Post, aber auch persönlich im eigenen Wahllokal, in einem anderen Wahllokal des eigenen Bezirks oder in einem anderen Wahllokal außerhalb seines Bezirks. Dies führt dazu, dass es in den einzelnen Bezirken zu einer Vermischung der ausgezählten Stimmen kommt. Ein Beispiel: Wenn jemand in Linz eine Wahlkarte beantragt, damit dann in Salzburg persönlich wählt, hat er in Salzburg eine gültige Stimme abgegeben. Wenn nun der VfGH nur in Linz eine Wiederholung der Wahl anordnet, kann dieser Wahlberechtigte erneut eine Wahlkarte beantragen, diesmal verwendet er sie aber für eine persönliche Wahl in seinem Wahllokal in Linz. Dieser Wahlberechtigte hätte dann zwei gültige Stimmen: seine erste in Salzburg gezählte (weil in diesem Bezirk die Wahl nicht wiederholt wurde und gilt) und seine zweite gültige gezählte Stimme bei der Wiederholungswahl in Linz. Ein und derselbe Wahlberechtigte kann aber nicht zwei Stimmen haben.
Die Wiederholung der Wahl nur für Briefwähler oder nur in einzelnen Bezirken kommt daher nicht in Betracht.

 

Es verletzt den Grundsatz der Freiheit der Wahl, wenn staatliche Stellen (das Innenministerium) Informationen über eingelangte Auszählungsergebnisse vor Wahlschluss an ORF, APA , andere Medien oder Forschungsstellen weitergeben, gleich, unter welchen Auflagen („Sperrfrist“).

 

Dass dies eine jahrzehntelange Praxis war, ändert daran nichts. Dem Verfassungsgerichtshof war es bisher verwehrt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, da sie erstmals konkret Gegenstand einer Wahlanfechtung war.

Auch in Wahl-Verfahren darf der Verfassungsgerichtshof nicht von sich aus tätig werden, sondern nur aufgrund eines Anlasses.
Diese Rechtswidrigkeit kann dazu führen, dass Auszählungsergebnisse sowie die Berichterstattung darüber „durchsickern“ und sich – besonders via Social Media – rasant verbreiten. Im vorliegenden Fall verbreitete die APA Stunden vor Wahlschluss eine Meldung, in der sinngemäß dargestellt wird, der Wahlsieg Norbert Hofers sei anzunehmen und ein „Drehen“ des Ergebnisses nicht mehr wahrscheinlich. Angesichts des knappen Wahlausganges konnten Meldungen über den angeblichen Wahlausgang, basierend auf durch staatliche Stellen weitergegebene Auszählungsergebnisse, von Einfluss auf das Wahlergebnis sein. Die Bundespräsidenten-Stichwahl muss auch aus diesem Grund in ganz Österreich und komplett wiederholt werden.
Das Innenministerium hat bei der Wiederholung der Stichwahl diese Rechtswidrigkeit abzustellen. Die Weitergabe von Auszählungsergebnissen vor Wahlschluss ist also zu unterlassen. (Quelle)

Reaktionen zur Wiederholung der Stichwahl

Der Obmann des Vereins „Gemeinsam für Van der Bellen“, Lothar Lockl erklärte zur Entscheidung des Verfassungsgerichthofs:

Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, das Erkenntnis der Höchstrichter ist zu respektieren. Wir stehen jetzt am Beginn eines dritten Durchgangs des Bundespräsidentschaftswahlkampfes. Viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind verärgert, weil sie erneut zu den Urnen gerufen werden, nur weil einige Bezirkswahlleiter nicht in der Lage waren, das Wahlgesetz ordnungsgemäß zu vollziehen. Was das Wahlergebnis selbst betrifft, ist ja im VfGH-Verfahren kein einziger Hinweis aufgetaucht, dass bei der Stichwahl am 22. Mai Stimmen nicht richtig zugeordnet wurden

Wir werden wieder eine große, österreichweite Bürgerwahlbewegung auf die Beine stellen und mit der Unterstützung vieler Österreicherinnen oder Österreicher aus ganz unterschiedlichen Gruppen und Parteien ein zweites Mal gewinnen.

Bundeskanzler Kern Stellungnahme Bundespräsidentenwahl
Bundeskanzler Kern in seiner Stellungnahme

Bundeskanzler Christian Kern erklärte, dass das Urteil zur Kenntnis zu nehmen ist. Er bedanke sich bei den Verfassungsrichtern bedanken, dass das Urteil rasch und auf objektive und transparente Weise gesprochen wurde. Sie hätten damit dem Rechtsstaat einen großen Dienst erwiesen. In einer Demokratie dürfe es keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Wahlen geben. Weiters betonte er, dass die Aufhebung der Wahl hat nicht wegen Manipulationen stattgefunden, sondern wegen Formfehlern und nicht korrekter Abwicklung des Wahlvorgangs. Er wies darauf hin, dass die Verfassungsrichter betonen, dass die Briefwahl rechtmäßig ist und das Wahlgesetz hier die entsprechende Grundlage bietet, um die Wahlen ordnungsgemäß durchführen zu können. Erfreulich sei, dass den Wahlbeisitzern dabei keine Schuld zugesprochen wurde.

Das Urteil soll kein Anlass für Emotionen und Vorhalte sein. Es zeigt uns vielmehr, dass unser Rechtsstaat robust ist und hervorragend funktioniert.

sagte der Bundeskanzler. Er wünsche sich nun einen kurzen Wahlkampf, der nicht von Emotionen getragen sei und ruft die Bürgerinnern und Bürger Österreichs dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Zur künftigen Abwicklung von Wahlen meinte der Kanzler, die gesetzliche Grundlage sei in Ordnung und diejenigen, die bei der Abwicklung und Umsetzung beteiligt sind, noch einmal minutiös instruieren werden müssten. Mittelfristig wird wir nach genauer Analyse des Urteils im Parlament zu klären sein, ob das Wahlrecht weiterentwickelt werden muss. Einen Imageschaden für Österreich im Ausland würde Bundeskanzler Christian Kern nicht überbewerten.

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, betonte:

Wir müssen dankbar sein, dass wir in Österreich freie und geheime Wahlen haben – und Höchstrichter, die dieses Wahlrecht schützen.

Der VfGH habe zügig und in öffentlicher Verhandlung die Vorwürfe untersucht und auf der Basis des Rechts entschieden. Genau so gehörte dies gemacht. Der ganze Vorgang war ein kräftiges Lebenszeichen der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Links

www.vfgh.gv.at

orf.at/stories/2347745/2347746/

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